Frauen zwischen Familie, Beruf, Hof und Zeit für sich
Wenn Max Rabe charmant singt: „Für Frauen ist das kein Problem, sowas machen sie mit links, im sitzen, liegen oder stehen, meistens gelingt’s“, dann darf nach der Wirkung der Fähigkeit des gleichzeitigen Erledigens von mehreren Aufgaben gefragt werden.
Und natürlich stimmt es! Frauen sind vielseitig und können kochend telefonieren, in der Zwischenzeit jemandem Eier verkaufen und ein Mail für Urlaub am Bauernhof beantworten. Gut ist es, wenn die Summe und die Art der Tätigkeiten, den Bogen des Möglichen nicht überspannen.
Maria zum Beispiel, eine vierzigjährige Bäuerin mit vier Kindern, einem Mann, der für 25 Stunden außerhäuslich arbeiten geht, Urlaub am Bauernhof, Milchwirtschaft und Direktvermarktung, pflegt auch ihre Schwiegermutter. Im vergangenen Jahr erkrankte sie mehrmals schwer an Grippe. Noch immer fühlt sie sich geschwächt, schafft nur mehr die Hälfte von dem, was sie zu tun hätte und fühlt sich schlecht.
Normaler Verlauf? Oder? So schlimm ist das nun auch wieder nicht! Du muss halt eine Ruhe geben! Oder: Das kenn ich auch!
Was klingt bei den Leserinnen und Lesern an, wenn sie von Maria oder anderen Frauen (auch Männern) hören, die überlastet sind?
Bewerten: Geprägt von den Rollenbildern ganzer Generationen, besonders der Herkunftsfamilie und derer, in der Frauen leben, sowie Werten, die aktuell in der Gesellschaft gelten, wird das eigene Tun besteuert. Die Auswirkungen der (Hoch) Leistung für Menschen sind längst bekannt. Erschöpfte Menschen in einer Welt, die ähnliche Symptome zeigt fordern uns zum Hinterfragen auf.
Hinterfragen: Im Hamsterrad der Zeit gelingt es kaum, sich den notwendigen Fragen des Lebens zu stellen. Ein Spruch sagt: Das Hamsterrad schaut nur von innen wie eine Karriereleiter aus. Dabei geht die grundsätzliche Frage nach der Lebensqualität leicht verloren. Wir sind getrieben von den Ansprüchen, die von außen und aus uns selbst kommen.
Wenden: Es gibt Zeiten, in denen gehen die Dinge leicht von der Hand und wir tun mit Freude, was ansteht. Und eine Gesellschaft, in der jeder nur mehr tut, worauf er augenblicklich gerade Lust hat, die wollen wir uns erst gar nicht vorstellen. Hier wird allerdings von einer permanenten Belastung gesprochen, die eben den Bogen überspannt. Wenn viele kritische Punkte übersehen werden, dann führen sie in die Krise. Kritische Punkte sind der Verlust an Freude, Antrieb und der Kraft. Körperliche Symptome verschiedenster Art schleichen sich ein: häufiges Herzklopfen, Schweißausbrüche, die nicht andernorts zuordenbar sind, Angstzustände usw. Ein untrügliches Zeichen für eine notwendige Veränderung sind Schlafstörungen. Was sich eingeschlichen hat, kann nun helfen, eine Wende in Gang zu setzen.
Ernstnehmen: Wenn es jemandem so wie Maria geht, die dreimal im halben Jahr mit vierzig Grad Fieber im Bett gelegen ist, dann weiß man, jetzt ist es höchste Zeit etwas zu verändern. Maria hat eine Kur beantragt, vorübergehend eine soziale Betriebshilfe (sehr schwer auszuhalten, dass hier jemand anderer mitwirkt) und lernt in einer Beratung, sorgsamer mit den Ansprüchen umzugehen.
Schwieriger ist es, zu reagieren, wenn nichts passiert. Vielleicht eingebettet in ein tägliches Ritual, in dem ich einerseits schaue, was hat mir heute Freude gemacht. Kann ich sehen, wenn der innere Topf der Unzufriedenheit schwerer wiegt, als der, es gut so, wie ich lebe.
Einen Schritt gehen: Mit den folgenden fünf (und ewig ausbaubaren) Schätzen erfolgt die Einladung zum Ausprobieren, was helfen kann. Auch hier gilt: nicht alles gleichzeitig, weil es überfordern würde. Wir unterschätzen, wie kleine Schritte unsere Leben prägen. Das Geheimnis von Wohlbefinden liegt in der Summe auch der kleinen Chancen die da sind und die genützt werden dürfen.
Fünf Schätze im Alltag
Das Leben gleicht in vielem einer Pflanze und braucht Hege und Pflege. Exemplarisch sind hier fünf Schätze angeführt, die helfen können, das Leben freudvoll wachsen zu lassen. Das Überraschende ist: Auch wenn es bei dem einen oder anderen nicht angeboren ist: Neuesten Forschungen zufolge lassen sich viele lebenserleichternde Verhaltensweisen durch ein beständiges Üben Schritt für Schritt erlernen.
Ja – Sagen: Fast provokant scheint es, dem Ja-Sagen eine so zentrale Funktion zu erteilen. Was hier gemeint ist: ein deutliches und lautes Ja zum Leben und seiner Vielfalt und seinen Herausforderungen. In der Resilienzforschung (die Forschung zu den Widerstandkräften der Seele) wird dies mit dem grundsätzlichen Akzeptieren der gerade erlebten Situation beschrieben. Das Leben lässt sich deshalb leichter gestalten, weil mit dem Annehmen, viel sichtbar wird. Dann kann an der Veränderung gewirkt werden.
Nein – Sagen: Natürlich braucht es auch die Kraft des Nein – Sagens. Damit ist gemeint, dass es notwendig ist, Grenzen zu setzen, um nicht vor lauter Tun und Schaffen ganz geschafft zu sein. Dies geschieht in einem täglichen genauen Hinschauen, bei den Ansprüchen, die wir an uns selbst stellen, oder die auch andere laufend an uns herantragen. Es ist gut, sich besonnen für oder gegen etwas zu entscheiden (und ein Nein tut viel weniger weh, als befürchtet).
Gut -Sitzen: Mit diesem etwas verwunderlichen Punkt ist das Thema des Verweilens in einer Situation gemeint. Häufig sind wir mit der halben Hälfte unserer Sitzauflage am Sprung oder sind zwar anwesend und gleichzeitig abwesend, oder wir sitzen im Lärm, in der Zugluft und im Schatten. Das Erstaunliche an dieser Idee: ich werde nicht schneller oder effektiver, wenn ich hetze. Mit der Aufmerksamkeit da sein, wo ich wirklich bin, erhöht die Lebensqualität und die Effizienz.
Gut -Schwitzen: Berggehen, Tanzen, Laufen, Radfahren, Sauna, körperlich Arbeiten, im Rhythmus sein, auch körperliche Liebe sind die Tätigkeiten, die den Puls erhöhen und dem Körper in dem die Seele wohnt Kraft geben. Eingebettet in einen guten (auch Erholung und Muße bietenden) Alltag, hilft Bewegung, besonders an der frischen Luft der körperlichen, geistigen und seelischen Vitalität.
Herzen (lassen): Das Herz, das am „rechten Fleck“ ist, ist zumeist ein gut genährtes Herz. Das Herz liegt im Zentrum des Körpers, im Zentrum der Religionen und der Betrachtung von liebenden Begegnungen. Das Symbol des Herzens drückt die Sehnsucht und das Bewusstmachen der Liebe aus. Treffen wir auf offene Herzen, tut uns das gut, wir fühlen uns wohl. Mit dem Begriff „Herzen“ ist hier also eine Begegnung gemeint, die von Nähe und Zuwendung und ehrlichem Interesse am anderen geprägt ist. Dazu gehört, dass wir einander zuhören. Und sie schließt auch das Thema des Umarmens ein. Herzen und Herzen lassen erhöht die Lebensqualität messbar.
Fünf Schätze die unendlich ergänzt werden können. An manchen Tagen sind ganz andere Schätze wichtig und jeder/jeder hat seine ganz individuellen Kostbarkeiten.
In der Begegnung mit Menschen, die ich als Beraterin und Therapeutin begleiten darf, erlebe ich bei fast allen eine Quelle, an der sie sich auch in schwierigen Lebenssituationen laben. Manchmal ist der Schmerz und die Verzagtheit allerdings so groß, dass das Belastende über das Stärkende und Lebendige darüber wuchert.
Das sind die Umstände, die es erforderlich machen, sich bewusst zu machen, jetzt brauche ich Hilfe. Dieses Zugeständnis an sich selbst ist der Schritt, der meinen Blick auch öffnet, für die Angebote, die es gibt.